Auf den Spuren der legendären Grand Boucle, der Tour de France, gibt es seit 2013 auch in Kärnten eine mehrtägige Rundfahrt, die Tour de Kärnten. Diese ist im Gegensatz zu der Tour de France, die nur für mit teilweise medizinisch fragwürdigen Methoden behandelten Profis zugänglich ist, für Jederfrau und Jedermann bestreitbar. Für die beiden Einzelfahren, einmal flach, einmal Berg, kann man sich auch als Einzelstarter anmelden. Nachdem Christian Müller aufgrund hartnäckiger Verletzung dieses Jahr fast nur am Rad trainieren konnte und ich auch immer wieder einmal Lust verspüre, etwas am Rad zu machen und die Form auch dann und wann zu überprüfen, entschlossen wir uns, am Bergzeitfahren auf die Gerlitzen mit 12,9 km und 1250 Höhenmetern teilzunehmen. Die Anmeldegebühr war mit 63 € pro Kopf eigentlich schon fast eine Frechheit, vor allem wenn man bedenkt, dass im Startersackerl nur die Startnummer enthalten war (der Shuttleservice ins Tal entschädigte dafür etwas).
Christian hatte sich in der Vorwoche eine leichte Verkühlung zugezogen und spekulierte aufgrund des mäßig angesagten Wetters mit einer Absage. Ich studierte jeden Tag emsig den Wetterbericht und hoffte auf halbwegs gnädige Verhältnisse. Da der Regen am Renntag zwar andauernd, aber nicht allzu stark vom Himmel schüttete, entschloss sich Christian doch zur Teilnahme, wahrscheinlich auch, um sich meiner Sticheleien, dass er ein 'Schönwettersportler' sei, nicht anhören zu müssen. Nach der Einschreibkontrolle und einem Kaffee mit den Glanegger Haxen wärmte ich mich aufgrund des Regens eher kurz auf. Die Teilnehmer wurden ab 9 Uhr im 30-Sekunden-Intervall abgelassen, wir als Einzelstarter zuerst, dann die Damen der Gesamtwertung in gestürzter Reihenfolge und schließlich die Männer. So startete Christian um 9:00:30 und ich eine Minute darauf, mit Kurt Cottogni in bestechender Form dazwischen. Das Rennen wurde aufgrund der Witterungsverhältnisse auf immer noch knackige 9 Kilometer und 900 Höhenmeter verkürzt, was die Teilnehmer je nach Form mehr oder weniger störte; mich aufgrund der fehlenden Trainingsberge kaum, Christian wirkte auch nicht sehr beleidigt.
Nach kurzem Herumrudern hatte ich mich auch in die Klickpedale reingedrückt und der Spaß konnte beginnen. Die ersten paar hundert Meter stiegen noch recht moderat und so konnte ich die fehlenden Minuten vom Aufwärmen gleich nachholen. Spätestens nach 500 Metern war der Spaß aber vorbei und die durchgehend nicht nachlassende Steigung begann. Die fuhr sich aber gar nicht so schlecht, da sich einige steile Rampen mit etwas 'flacheren' Abschnitten abwechselten. Über die fein nummerierten Kehren konnte ich so recht schnell einen guten Rhythmus finden, lediglich die Kraft für permantetes Drücken im Wiegetritt fehlte mir etwas. Meine dankbare Übersetzung von 34/28 machte sich bezahlt, Christian hatte mit seiner 39/27-Heldenkurbel doch etwas Probleme. Phasenweise konnte man durch die aufgerissene Wolkendecke sogar den Ossiacher See sehen und das traumhafte Panorama erahnen. Der Regen und die Temperaturen störten überhaupt nicht, das Laktat in den Beinen wärmte mich genügend auf. Lediglich bei der Mautstation nach 6 Kilometern konnte man etwas nachlassen, sonst blieb die Steigung durchgehend umbarmherzig. Ich rechnete mit einem einsamen Rennen, da die anderen Einzelstarter vor mir auf den Weg geschickt wurden und ich hoffte, dass mir die später gestarteten Damen nicht durch lockere Überholmanöver das Selbstvertrauen zertrümmern wollten.
2 Kilometer vor dem Ziel konnte ich jedoch Christian vor mir in Sichtweite entdecken. Eigentlich wollte ich das Rennen schon eher 'gemütlich ausklingen' lassen, doch so stellte ich den Drehzahlbegrenzer noch 10 Schläge höher und versuchte, mich Meter für Meter näher an Christian heranzuarbeiten. 200 Meter vor dem Ziel konnte ich ihn dann schnappen und in 42:40 (12,5 km/h) über die Zielline rollen - komplett abgekämpft aber glücklich mit der Top-Leistung. Hochgerechnet hätte das immerhin 1280 Höhenmeter pro Stunde ergeben und die ungefähr berechnete Wattleistung hat immerhin 307 Watt betragen!
Christian hatte das gesamte Rennen mit der Luft zu kämpfen und hätte, wie er sagt, wohl aufgegeben, wenn die Wechselwäsche nicht im Ziel gewartet hätte. Diese war auch bitter nötig bei Temperaturen um die 3° C. Das Ziel war am Anfang etwas schlecht markiert und so fuhr Kurt Cottogni gleich daran vorbei und verlor ein paar Minuten. Bei uns war die Straße dann schon abgesperrt. Auch die Zeitnehmung kam etwas durcheinander, Christian wurde mit 5 Minuten Rückstand auf mich gewertet obwohl er maximal eine Minute und ein paar Zerquetschte verloren hatte. Christian sah das aber mit Humor und hoffte, das das Pech bei Radrennen mit der Zeitnehmung ein gutes Omen für sein baldiges Lauf-Comeback sein könnte. Bei Kaffee und Dinkel-Gebäck wurde das Rennen noch analysiert und der gemütliche Teil des Pfingstwochenendes eröffnet.
Mit der Leistung von heute hoffe ich auch, dass ich mich endlich für ein Fischer-Radtrikot qualifiziert habe. Heute konnte sich die Kärntnermilch über Gratiswerbung freuen ;-)
Ergebnisse: http://www.tourdekaernten.at/?page_id=5985
Bericht: Norbert Zeppitz