Alle Teilnehmer an diesem Ironman am 1. Juli haben es am Vortag zwar richtig gehört, aber viele können es wohl nicht gleich fassen - der Veranstalter macht heuer ernst! Erstmalig wird beim Ironman 2012 in Klagenfurt ein Neoprenverbot ausgesprochen. Für nicht so gute Schwimmer inclusive meiner Person hängt die „nackte“ Tatsache wie ein Damoklesschwert über dem Metnitzstrandbad, wo wir eben auf die Startfreigabe warten. „Tou Minits tu kou“, sagt neben mir ein junger Mann aus Murau.
Letzte Startvorbereitungen
Die Kanone schießt, das Publikum schreit und ich wate den anderen hinterher ins Wasser. Im Moment ist alles so wie es ist. Ich gebe mich dem Schicksal hin, lege mich aufs Wasser und kraule sofort um mein Leben. Der Kampf in den Fluten des 25 Grad warmen Wassers beginnt - zunächst noch harmlos. Bis zur ersten Wendeboje in Reifnitz komme ich sogar unerwartet gut voran. Ebenso freue ich mich über die erfolgreiche Passage durch Maiernigg. Erst danach - in Richtung Loretto - wird es richtig ungemütlich, weil es in diesem Abschnitt keine Orientierungsboje mehr gibt. Das Schloss Loretto auf der Anhöhe ist im Gegenlicht der Morgensonne kaum zu erkennen. Da ich mich an den Schwimmern vor mir, die leider auch nicht wissen wohin sie sollen, orientiere, wird der Weg nach Loretto zum Desaster. Das Richtungsschwimmen gestaltet sich völlig planlos. Ich bin knapp am Verzweifeln, weil so gut wie nichts weitergeht. Das Schloss vor uns wird einfach nicht größer. Unter den Teilnehmern herrscht Unordnung, ja fast Anarchie. Ohne Neopren bist du da draußen den Gewalten des Wassers und des Rennens völlig schutzlos ausgeliefert. Wenn man sich nicht bewegt, säuft man gnadenlos ab. Natürlich wirst du vorher von der Wasserrettung rausgeholt - bevor dich die Fische fressen. Nach einem unkoordinierten Schwimmslalom erreiche ich mit Schulterschmerzen die Einfahrt zum Lendkanal. Das Wasser wird dunkel, schlammig und mit den Armen und den Beinen bleibe ich an der Unterwasserpflanzenwelt immer wieder hängen. Wegen der Schulterschmerzen atme ich nur noch rechts. Da sich zu der späten Schwimmzeit noch zahlreiche Schwimmer im Kanal befinden, kommt es laufend zu unsanften Berührungen. Man spürt, dass jetzt jedem alles „wurscht“ (oder völlig egal) ist. Wir alle wollen einzig und allein raus aus diesem schrecklichen Kanal!
Indi freut sich, dass er nach dem harten Schwimmen ohne Neo aus dem Wasser ist (Bildquelle: Marathon-Photos)
Nach zweinullfünf Stunden betrete ich das Festland und freue mich sehr, dass Harald Neu von Marathon-Photos mit seiner Nikon D3s auf der Strecke lauert. Er erkennt mich sogar, winkt, ich winke zurück und die Nikon schießt mit Quantum-Flash auf jeden Sportler, um ein Schwimmausstiegsbild zu bekommen. Keine Sekunde habe ich gezweifelt den sogenannten Schwimmcut nicht zu schaffen. Später sollte ich erfahren, dass für etwa siebzig Teilnehmer, die nach zweizwanzig aus dem Wasser kommen, das Rennen durch den Veranstalter für beendet erklärt wird. Ich bin sehr glücklich als „Nichtschwimmer“ die fast vier Kilometer nur mit Badehose, Brille, Uhr und Kappe bekleidet zeitgerecht absolviert zu haben. Auf dem Weg in T1 erkenne ich Iron-Tine, Robert und Susi… alle feuern mich an und das Leben ist wieder schön!
Der schwarze Panther (Bildquelle: Marathon-Photos)
Viele Säcke hängen nicht mehr da und so finde ich die Nummer 2133 sofort. Im Zelt lasse ich mir gerne helfen und genieße es, dass sich Dagmar und Andrea meine Klagen über die Schwimmstrecke teilnahmsvoll anhören. Der Schwarze Panther ist ziemlich angefressen, weil er so spät und als eines der letzten Räder abgeholt wird. Ich lasse mich auf keine Diskussion mit dem SP ein. Was weiß ein Radl schon über Neoprenverbot? Ich klicke mich durch die Gänge und will nach Reifnitz etwas mehr andrücken, damit Hanna mit der Käsesemmel nicht noch länger warten muss. Ich hoffe, dass sie noch da ist. Wiederum hat das SMS-Benachrichtigungs-System der FH ausgezeichnet funktioniert, also wird sie wissen wo ich mich herumtreibe.
Zahllose Indi-Fans unterstützen ihren Sportler
Hanna und die kleine Xenia haben durchgehalten und der nächste Höhepunkt ist der Anstieg zur Labe in St. Niklas, wo Connie als Helferin akquiriert wurde und mir Mut zuspricht. Das kann ich sehr gut brauchen, denn ich stehe immer noch unter dem Schockeindruck der Wasserschlacht. Werner, der Chef vom Fahrradprofi höchstpersönlich, ruft mir am Steilhang zu: „Indi, Schwarzer Panther haltet’s durch!“ Auch das Look-SP freut sich darüber. Weiter oben begleitet mich Rene‘, ein junger Nachwuchstriathlet aus Villach, ein Stück, in dem er nebenher läuft und mir alles Gute wünscht.
Tour-de-France-Feeling in Kärnten
Der nachfolgende Rupertiberg mit viel Trara und toller Musik ist ein großes Gefühlserlebnis, zumindest noch in der ersten Runde, für die ich unglaubliche dreidreiviertel Stunden benötige! Viel zu lange, denn jetzt wird es eng. Wenn du bis 17.00 Uhr nicht in der Rosentaler Straße bist, holen sie dich raus und das Rennen ist beendet d. h. Radcut um fünf, die Uhr tickt und ich muss auf der zweiten Runde richtig Druck machen. Meine Zeitreserve auf das Radlimit nach der Wende in Klagenfurt beträgt zirka 35 Minuten. Da muss ich die zweite Runde in dreifünfzehn fahren und es darf keine Panne dazwischenkommen. Gleich vorweg: das Radl hat durchgehalten, denn der Fahrradprofi in Viktring hat es vor dem Rennen überprüft und unter anderem eine neue Kette eingebaut. Zwei weitere Investitionen lassen den Schwarzen Panther heuer noch martialischer erscheinen: die schwarzen Räder „Solist3“ und ein neuer schwarzer Sattel, natürlich auch vom Fahrradprofi in Viktring.
Kurzer Verpflegungsstop
Die Hitze am Nachmittag wird stärker und ich überhole mittlerweile einige Teilnehmer mit dem SP. Connie in St. Niklas hält auch durch und diesmal brauche ich sie mental mehr denn je. Nach der zweiten Faakersee-Runde falle ich auf der Rosegger Brücke fast vom Rad, weil sich plötzlich alles um mich dreht. An dieser Stelle beschließe ich, nächstes Jahr nicht mit Günter und Markus an der Challenge Roth teilzunehmen. Das hohe Tempo fordert seinen Tribut und ich schalte etwas zurück, aber nur bis zum Ruperti. Hier gehen andere bereits zu Fuß auf den Gipfel. Manche fahren in Serpentinen nach oben. Ich kann noch in der Vertikalen kurbeln. Auf gleicher Höhe mit Jan Jagodzinsky (Cops for Cancer) höre ich ihn klagen: „Indi, ich sterbe.“ …“Jan, halte durch!“ Mir selber ist es auch schon besser gegangen, denn ich sehe zitronengelbe Tanzbären auf dem brennenden Asphalt. Neben mir spaziert ein grünes Krokodil …? Die teilweise haarsträubende Abfahrt vom Ruperti nach Ludmannsdorf löse ich mit einer ganz anderen Linie als im Training. Von der Herz-Kreislaufbelastung her habe ich keine Bedenken. Nur, was passiert, wenn plötzlich unter dem Schnee das blanke Eis ist? Kann ich das balancieren? Oder rutsche ich aus? … Augen auf! …Überlebt! Angefeuert von den Streckenposten, den Xterrians Jauntal und Reinhold K. samt Familie, fliege ich durch Tschachoritsch hinein in die Rosentaler Straße. Die Uhr zeigt 16.37! Geschafft und überglücklich! Ich denke: „… irgendwann kreuzt du diese Ziellinie… “ und nehme zahlreiche Propolistropfen.
Immer noch gut drauf nach zahllosen Stunden Ironman
Den Marathon beginne ich konsequent mit sieben Minuten pro Kilometer, diesmal will ich nichts anbrennen lassen. An den Laben lasse ich mir extra Zeit für gute Gespräche mit guten Helfern und für ausschweifende Gehpausen, in denen ich das Mitleid mancher Zuschauer genieße. Es ist schon fast sechs Uhr abends, dennoch herrscht eine brütende Hitze. Allen Respekt vor den vielen Anrainern, die mit Wasserschläuchen und privaten Labstellen die strapazierten Sportler unterstützen. Der berühmte Altmeister Günther Mirnig gesellt sich erfreulicher Weise zu mir und motiviert mich außerordentlich, indem er ruft: „Indi, nur laufen und viel trinken! Tu sonst gar nichts, nur laufen und saufen, was geht!“ Danke Günther! Durch deine kompetente Beratung habe ich weiterhin leicht durchhalten können. Der Ironman ist auch ein Volksfest! Bis ins Krumpendorfer Bad und zurück freuen sich alle Zuschauer über die tapferen Eisernen. Auch vom Landhaushof bis zum Alten Platz sind die Gastronomie-Gärten, obwohl es langsam dunkel wird, voll besetzt.
You are an Ironman! (Bildquelle: Marathon-Photos)
Wiederum halte ich Ausschau nach Connie und frage einige Bekannte, ob sie gesehen worden ist. Meinen ausdrücklichen Dank an die Gruppe vom „Trispoat“, die mir einen – überlebensnotwendigen – Eisbeutel geschenkt hat. Schönen Dank auch an Herbert R. vom LC Techelsberg, der mir neues Eis für das geschmolzene Sackerl reicht. Mario Ebner, der LC-Techelsberg-Läufer und Chef vom Intersport Feldkirchner Straße, ist selber mehrfacher IM-Finisher. Mario gibt mir einen guten Rat: Keine Gehpausen, sondern lieber
langsamer, das heißt kontinuierlich laufen. An dem Finish habe ich mittlerweile keine Zweifel mehr. Ich werde auf jeden Fall das Ziel erreichen. Vermutlich wird dort mein großes Fotografen-Idol Harald Neu ( www.marathon-photos.com ) mit seiner Nikon stehen. Für dieses Bild würde ich auf allen Vieren über die Finishline kriechen.
2. Ironman-Finish von Indi Lesiak (Bildquelle: Marathon-Photos)
Ein recht ordentliches Laufbild von mir macht Michael von den Xterrians ebenso wie Rita Maria. Mit Iron-Tine diskutieren wir über Sinn und Unsinn einer Langdistanz, während uns Uwe in der untergehenden Abendsonne vor der Labe am Metnitz-Strandbad fotografiert. Unerwartet und herzerfrischend steht sie da: Connie! Sie begrüßt mich am Metnitzstrand und zieht mich kurz, aber unglaubliche fünfdreißig pro Minute einen halben Kilometer Richtung Zentrum. Das war echt nötig und ich freue mich, dass wir uns auch hier wieder gefunden haben. Heuer bereits in der Wiener Gasse, ganz genau beim Wörthersee-Manderl, umkreise ich genussvoll die allerletzte Wende in dieser Langdistanz. Das letzte Piepen des Transponders klingt wie das Befreiungslied aus Nabucco. Ab jetzt geht es heimwärts! Endlich heimwärts und ich kann es kaum glauben, denn es ist erst halb zehn und noch nicht einmal stockdunkel! Für mich beginnt der ergreifende und tiefsinnigste Teil des großartigen Ironmanabenteuers. Viele sind noch auf der Laufstrecke, fast niemand mehr im Laufschritt. Hoch motiviert, gerührt und selig vor Freude laufe ich Schritt für Schritt Richtung Pearly Gate.
Indi genießt den Zieleinlauf (Bildquelle: Marathon-Photos)
In der Luft liegt schwebt Energie, denn von weitem höre ich die Musik und den Sprecher von der Finishline: „…you are an …“, das letzte und so glühend ersehnte Wort wird von der Elektronik im Stadion festgehalten und bleibt dem Läufer auf der Strecke unhörbar entzogen. Egoistischer und narzisstischer Weise will ich ganz allein auf der Brücke der Finishline stehen. Um das sicher zu stellen, begebe ich mich taktisch überholend mit allerletzter Kraft und dann langsamer werdend auf eine einsame Position vor dem Zielkanal.
Dann ist es Wahrheit: Der Zielkanal – die Finishline! Ich könnte explodieren vor Glück! Ich habe es geschafft, geschafft, geschafft! Ganz allein geschafft – ohne Coach, ohne Trainingslager, dafür mit viel Freude an der Bewegung und mit viel Geduld und Nachsicht meiner Freundin und allen anderen für das Zeit intensive Training. Gleich zwei Fotografen von www.marathon-photos.com stehen an der Finishline. Günter schießt – ohne Quantum-Flash – mehrmals. Besonders freue ich mich über das gemeinsame Bild mit Harald Neu. Wer noch Bilder von diesem Fotografenteam der Weltklasse haben will, sollte sich beeilen, denn Harald und seine Leute fotografieren den Ironman Austria nur noch nächstes Jahr. Ihre Nachfolger treten in große Fußstapfen …
Müde aber glücklich nach dem Finish
Günter Schneeweiß meint, wer heuer in Klagenfurt bestanden hat, sei ein wahrer Eisenmann. Das Schwimmen ohne Neopren ist für mich die härteste Grenzerfahrung im Ausdauersport gewesen. Die tropische Hitze am Rad hat mich fast wahnsinnig gemacht - aber nicht aufhalten können. Der Marathon war phasenweise schmerzvoll. Der Schmerz ist vergangen – der Stolz und die Freude sind mir geblieben. Es ist ein Hochgefühl, das wochenlang anhält, jenes Empfinden von unendlichem Glück, das dich süchtig macht. Der Rausch von Unbesiegbarkeit und Unzerstörbarkeit danach, den keiner kennt und keiner spürt, der es nicht selbst erlebt hat. Und wenn du dieses Rennen geschafft hast und es hat sich so gut angefühlt, dann spricht eigentlich überhaupt nichts dagegen, dass du es wieder und wieder tust.